Stadtentwicklung 2030

Heute Veränderungen für die Zukunft beginnen
Das Ruhrgebiet steht im Jahr 2013 auch nach mehr als 30 Jahren Strukturwandel weiterhin vor gewaltigen Veränderungen und Problemen. Der wirtschaftliche Strukturwandel ist noch immer nicht abgeschlossen, eine nachhaltige Stabilisierung der Region noch nicht zu erkennen. Der Niedergang der klassischen Montanindustrie hält unvermindert an. Mittlerweile verlassen selbst vermeintliche Ersatzindustrien, wie die Automobil- und Elektroindustrie, das Ruhrgebiet wieder, während der Dienstleistungs- und Logistiksektor zu einer der bedeutendsten Branchen geworden ist. Es ist nachhaltig nicht gelungen, die durch die Aufgabe der Montanindustrie verloren gegangenen Arbeitsplätze vollständig durch Arbeitsplätze in anderen Branchen zu ersetzen. Die Bildung von Kompetenz-Clustern und die Nutzung von regionalen Synergien wird im Gegensatz zu anderen Regionen in Deutschland nicht konsequent genug verfolgt. Dennoch gehört das Ruhrgebiet weiterhin zu den am stärksten industrialisierten Regionen Deutschlands. Im Rahmen einer modernen Stadtentwicklung im Ruhrgebiet ist daher ein klares Bekenntnis der Politik zu alten und neuen Wirtschaftszweigen und Standorten notwendig.

Für eine moderne Wirtschaft und Gesellschaft ist die Mobilität von Menschen und Waren unabdingbar. Eine entsprechende Infrastruktur für die großen Pendlerströme aus dem und in das Ruhrgebiet sowie für den Warenverkehr ist die Voraussetzung, um den Strukturwandel gestalten zu können und die Region zu stärken. Wenig hilfreich sind dabei Verzögerungen bei Großprojekten und das geringer werdende Verständnis in der Gesellschaft für Verkehrsprojekte und bereits vorhandene Infrastruktur. Andere Regionen in Deutschland schaffen es viel besser sich um Investitionen in die Infrastruktur zu bemühen.

Die Folgen des anhaltenden Strukturwandels sind immer noch überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquoten, meist mehr als 10 %, ein prognostizierter Bevölkerungsrückgang bis 2030 von durchschnittlich ebenfalls 10 % und die Überalterung unserer Städte. Bis 2030 werden, aktuellen Berechnungen zufolge, durch den Demographischen Wandel und Abwanderung rund 500.000 Menschen weniger zwischen Emscher und Ruhr leben, während das Durchschnittsalter steigt. In den meisten Städten und Kreisen bedeutet dies ein massives Überangebot an Wohnraum. Während es in Hamm, laut aktuellen Schätzungen, im Jahr 2030 nur etwa 5.000 Wohneinheiten sein werden, wird es in Essen, Dortmund, Bochum, Duisburg und Hagen jeweils ein Überangebot von rund 40.000 und im Kreis Recklinghausen sogar 70.000 Wohneinheiten geben. Die symptomatisch geringe und unterdurchschnittliche Eigentumsquote im Ruhrgebiet erzeugt hier vor allem im Geschosswohnungsbau Probleme.

Daher fordert die Junge Union Ruhrgebiet:

1. Revitalisierung ehemaliger Industrieflächen“
Durch den Strukturwandel freiwerdende Flächenpotenziale begreift die Junge Union Ruhrgebiet als Chance und sieht in ihnen ein Mittel, langfristig an wirtschaftlicher Stärke zu gewinen. Gemeinden und Städte sind dazu aufgerufen, diese Flächen gemeinsam mit der privaten Wirtschaft (Public Private Partnership) und auch über Stadtgrenzen hinweg zu entwickeln.
Die Schaffung von Landschaftsparks war in der Vergangenheit oft eine sinnvolle Nutzungsvariante, heute bietet sich aus Sicht der Jungen Union Ruhrgebiet aber vor allem die Neuausweisung von Gewerbeflächen, Mischgebieten, die Schaffung von hochwertigen Wohnbauflächenpotenzialen und eine Verbindung von alter Industrie und alten Industriegebäuden mit neuen Konzepten an.
Entscheidend ist für die Junge Union Ruhrgebiet hierbei die Qualität der einzelnen Projekte und ein möglichst großer Nutzungsmix. Ein Ziel der Jungen Union Ruhrgebiet ist eine möglichst kostenneutrale Entwicklung dieser ehemaligen Industrieflächen. Die durch die Grundstücksverkäufe entstehenden Einnahmen müssen einen Großteil der Kosten decken.

Die Revitalisierung von Industrieflächen ist aus Sicht der Jungen Union Ruhrgebiet zudem der Neuausweisung und weiteren Flächenversiegelungen vorzuziehen. Dennoch müssen auch Neuausweisungen weiterhin möglich sein. Wir unterstützen insbesondere die Ausweisung interkommunaler Industriegebiete. Neben Großprojekte, wie dem „newPark“ in Datteln, sind vor allem Ansiedlungserfolge bei kleinen und mittelständischen Unternehmen für die Zukunft des Ruhrgebiets entscheidend. Hier gilt es, von den Erfolgen anderer Regionen, wie dem Münster- und Sauerland, zu lernen.

Darüber hinaus benötigen unsere Gemeinden mehr Flexibilität bei der Flächenausweisung. Die Ausweisung von Gewerbeflächen sollte sich nicht nur an Rechenmodellen der Landesplanungsbehörden, sondern an den konkreten Bedürfnissen der Wirtschaft vor Ort orientieren.

2. Mobilität und Infrastruktur im Ruhrgebiet verbessern
Entscheidend für die Attraktivitätssteigerung des Ruhrgebiets ist ein konsequenter Ausbau des Verkehrsnetzes. So gehört der durchgehende sechsspurige Ausbau der A 40 als Ost-West Verbindung des zentralen Ruhrgebiets genauso zum Pflichtprogramm wie der Lückenschluss der A 52 zwischen Essen und Gladbeck. Eine gute verkehrstechnische Infrastruktur ist in einem Ballungsgebiet wie dem Ruhrgebiet absolute Pflicht.

So setzt sich die Junge Union Ruhrgebiet uneingeschränkt für den Rhein-Ruhr-Express, unter Einbeziehung des zweigleisigen Ausbaus der Teilstrecke Lünen-Münster, ein und fordert die Landesregierung auf sich an den finanziellen Kosten zu beteiligen. Zugleich muss die Deutsche Bahn endlich in den Ausbau der Gleisinfrastruktur investieren. Wichtige Projekte sind im Ruhrgebiet der Ausbau der Tempo 100 Strecken rund um den Bochumer Hauptbahnhof, eine andere Linienführung für langsame Nahverkehrszüge östlich von Essen, eine neue Kurve in Bochum sowie die Nachrüstung der Strecken mit Technik, die kürzere Abstände zwischen den Zügen möglich macht und Fahrzeiten verkürzt. Auch die Gleisstrecken von Dortmund in Richtung Hannover und Berlin sind stark überlastet. Dies kann durch einen Ausbau der Gleisbereiche der Hauptbahnhöfe Dortmund und Hamm und die Ergänzung der überwiegend zweigleisigen Hauptstrecke durch zwei weitere Gleise gemildert werden.

Generell muss auch in den Abend- und Nachtstunden, insbesondere an den Wochenenden, eine gute Verbindung durch den öffentlichen Nahverkehr in und zwischen den einzelnen Ruhrgebietsstädten gewährleistet sein. Für die Regionalidentität des Ruhrgebiets ist eine gute Erreichbarkeit aller Städte im öffentlichen Nahverkehr wie im Individualverkehr von immanenter Bedeutung.

3. Stärkung der Eigentumsquote
Die Junge Union Ruhrgebiet fordert, dass ausreichend neue Wohnbauflächen in den Flächennutzungsplänen der Gemeinden und Städte und im Regionalplan des RVR besonders für den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern ausgewiesen werden. Nach Möglichkeit soll dies ohne Bauträgerbindung erfolgen, um keine uniformen Wohngebiete entstehen zu lassen und ein hohes Maß an Lebensqualität zu erreichen. Sollten Wohngebiete durch Bauträger entwickelt werden, sind diese aufzufordern, keine uniformen Reihenhäuser entstehen zu lassen. Zum einen wird hierdurch die Möglichkeit geschaffen, adäquates Eigentum im Ruhrgebiet zu erwerben. Zum anderen sorgen neue Einwohner, insbesondere junge Familien, für eine stabile Bevölkerungsentwicklung der Gemeinden und Städte. Um die Bildung von Wohneigentum durch junge Familien innerhalb der Kernstädte des Ruhrgebiets zu ermöglichen, sind Wohnbauflächen für diese Zielgruppe besonders zu fördern.

Viele Wohnungen im Ruhrgebiet befinden sich im Eigentum großer Immobiliengesellschaften, der öffentlichen Hand oder der privaten Wirtschaft. Die Junge Union Ruhrgebiet setzt sich hier für einen nachhaltigen Ausbau des Instruments der Mieterprivatisierung ein, bei der die bisherigen Mieter ihre Wohnungen als Eigentumswohnungen erwerben können. Die Identifikation mit dem Objekt wird erhöht, die soziale Absicherung der Menschen wird gestärkt und die Eigentumsquote nachhaltig erhöht. Alternativ ist auch die Überführung von Wohnungsbeständen in das Eigentum von Wohnungsgenossenschaften eine Möglichkeit indirekt die Eigentumsquote zu erhöhen.

4. Rückbau des sozialen Geschosswohnungsbaus
In den Großsiedlungen des Ruhrgebiets gibt es eine Vielzahl von Problemen, die es jetzt zu bekämpfen gilt: Eine hohe Leerstandsquote, häufige Mieterwechsel, oft soziale Schwäche der Bewohner, eine hohe Quote schlecht integrierter Zuwanderer und eine hohe Kriminalitätsrate. Vorhandene Probleme gilt es in Zusammenarbeit mit den Vermietern zu bekämpfen, doch aus Sicht der Jungen Union Ruhrgebiet sind Großsiedlungen kein Modell mehr für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung. Vielmehr gilt es hier, Siedlungen in den kommenden Jahren baulich zu sanieren, zu einem großen Teil zurückzubauen oder gar ganz abzureißen. Insbesondere vor dem Hintergrund des anstehenden Bevölkerungsrückgangs muss vielmehr die Förderung von qualitativem Eigentum in den Mittelpunkt gerückt werden. Dabei muss darauf Wert gelegt werden, hochwertige Wohnbauflächen zur Verfügung zu stellen.

5. Demographischen Wandel als Chance erkennen und nutzen
Während im Jahr 2005 33 von 100 Menschen im Ruhrgebiet über 65 Jahre alt waren, werden es 2025 bereits 43 von 100 Menschen sein. Der sogenannte Demografische Wandel ist überall im Land zu spüren und stellt gerade das Ruhrgebiet als größten Ballungsraum Deutschlands vor besondere Herausforderungen.

Zu der drastischen Alterung der Gesellschaft kommt das Aufbrechen der traditionellen Haushaltsstrukturen hinzu. Die klassischen drei bis vier Personenhaushalte nehmen drastisch ab, während die ein bis zwei Personenhaushalte weiter zunehmen. Diesem Wandel der Gesellschaft gilt es zu begegnen und schon jetzt geeignete Maßnahmen einzuleiten, um der veränderten Situation gerecht zu werden.

So fordert die Junge Union Ruhrgebiet eine konsequente Verbesserung des ambulanten Pflegesystems, den Aufbau quartiersbezogener Unterstützungssysteme und den Ausbau von Mehrgenerationenhäusern und anderen Wohnprojekten, insbesondere in Innenstadtlagen, um den Menschen alternative und würdevolle Lebensformen zu bieten. Dies kann darüber hinaus auch zu einer neuen Belebung von Innenstädten führen.

Des Weiteren ist der Ausbau der Gesundheitswirtschaft inklusive der Ausbildungsmöglichkeiten insbesondere im gerontologischen Bereich wichtig. Ausgehend vom neuen Gesundheitscampus in Bochum fordert die Junge Union Ruhrgebiet deshalb ein Kompetenzcluster Gesundheitswirtschaft für das Ruhrgebiet, welches entsprechende positive Auswirkungen auf die gesamte wirtschaftliche Situation im Ruhrgebiet haben wird.

6. Miteinander statt Parallelgesellschaften
In den vergangenen Jahrzehnten hat der Anteil von Zuwanderern an der Bevölkerung des Ruhrgebietes stetig zugenommen. Neben den oft gravierenden Folgen für unsere sozialen Sicherungssysteme sind auch die Folgen für die Gemeinden und Städte schwerwiegend. Insbesondere die Zuwanderung von Sinti und Roma aus Rumänien und Bulgarien seit dem EU-Beitritt dieser Länder im Jahr 2007 hat im Ruhrgebiet zu neuen Problemlagen geführt, die sich im Jahr 2014 noch einmal verschärfen dürften. In manchen Stadtteilen wird die soziale und öffentliche Kontrolle zunehmend schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich und durch den Fortzug einheimischer Bürger bilden sich oftmals Parallelgesellschaften heraus. Ein Trend, der auf lange Sicht unser demokratisches System vor Probleme stellt, der aber auch eine Herausforderung für die Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert darstellt.

Die Junge Union Ruhrgebiet lehnt daher jedwede Form von Stadtentwicklungsprojekten ab, die nur bestimmten Zuwanderergruppen vorbehalten sind. Vielmehr müssen bereits existierende Gebiete mit einem überproportional hohen Zuwandereranteil in den besonderen Fokus des politischen Handelns gestellt werden. Sinnvoll ist beispielsweise die Aufwertung des Wohnumfeldes durch bauliche und soziale Maßnahmen. Auch die Gedanken zum sozialen Siedlungs- und Geschosswohnungsbau sind in die Handlungsmaßnahmen einzubeziehen.

Besonders wichtig für die Junge Union Ruhrgebiet ist zudem eine frühzeitige Einbindung der Anwohner und der Bevölkerung in Baupläne für zukünftige Moscheen und Kulturzentren im Ruhrgebiet, diese muss gewährleistet sein. Bei der Planung muss zudem auf eine architektonische Einbindung in das Stadtbild unserer Heimat geachtet werden.

Ziel dieser Maßnahmen ist für die Junge Union Ruhrgebiet eine Rückführung dieser Stadtgebiete in das öffentliche Miteinander, verbunden mit einer Attraktivitätssteigerung sowohl für Zuwanderer als auch für deutsche Bürger, um das friedliche Miteinander einer heterogenen Gesellschaft zu ermöglichen.

7. Bürgerbeteiligung bei Fragen der Stadtentwicklung
Die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit Ihren Gemeinden und Städten ist ein wichtiges Kriterium für Stadtentwicklung. Je mehr Bürger in Fragen der Stadtentwicklung eingebunden sind, desto geborgener fühlt man sich in seiner Heimat.

Daher begrüßt die Junge Union Ruhrgebiet die Partizipation von Bürgern an konkreten politischen Entscheidungen in Fragen der Stadtentwicklungspolitik. Mitspracherechte von Bürgern bei der Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange, verschiedenster Vereine und gesellschaftlicher Gruppen an der Regionalplanung schaffen zum einen ein Bewusstsein bei den Bürgern für die Ziele der Stadtentwicklung und sorgen zum anderen für das Gefühl nicht abstrakt von den politischen Gremien und der öffentlichen Hand vor befasste Beschlüsse gestellt zu werden. Über die bekannten und gesetzlich vorgesehenen Instrumente der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung hinaus sollten neue und innovative Wege der frühzeitigen Einbindung betroffener Bürgerinnen und Bürger beschritten werden (z.B. runde Tische, Informationsveranstaltungen, Zeitungsinserate, Begehung von Baugrundstücken, bei Großvorhaben Infocenter während der Bauphase). Auseinandersetzungen in der Vergangenheit lehren uns, dass dabei insbesondere die Kostentransparenz von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz ist. Hier muss folglich besondere Sorgfalt walten.